Gericht gibt geschasstem Betriebsrat recht
Oft genug bekommen Malocher zu spüren, was es in diesem Lande mit "Meinungsfreiheit" auf sich hat. Diese hört eigentlich immer am Werkstor auf. Mich freuen deswegen solche Nachrichten aus meiner alten Heimat:
Siehe auch die IG Metall Pressemitteilung bei trueten.de
Das in Dettingen (Kreis Esslingen) ansässige Unternehmen Dietz Motoren muss den Betriebsrat Günther Albrecht laut einem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart weiterbeschäftigen. Die fristlose Kündigung, die Dietz im vergangenen Oktober wegen angeblich "geschäftsschädigender Aussagen" Albrechts in einem Fernsehinterview ausgesprochen hatte, ist unwirksam. Damit gibt das Urteil dem 47-Jährigen recht, der auf Weiterbeschäftigung geklagt hatte. Zudem wies das Gericht eine Schadenersatzklage gegen Albrecht ab. Die Firma hatte geltend gemacht, es seien ihr "erhebliche Kosten" entstanden, um den von Albrecht angerichteten Imageschaden wiedergutzumachen.Via Stuttgarter Zeitung 18.06.2010
In der Verhandlung ließ die Vorsitzende Richterin Margot Weber nichts unversucht, die Parteien zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen. Sie legte einen Vergleichsvorschlag vor, wonach Albrecht seine Äußerungen bedauern und eine Abmahnung akzeptieren sollte. Im Gegenzug hätte er weiterbeschäftigt werden sollen. Albrechts Rechtsanwalt Hans-Dieter Wohlfahrt stimmte dem Vorschlag zu, der Dietz-Geschäftsführer Bernd Strauß und sein Anwalt Otto Weimer lehnten ihn ab. "Er hat sämtliches Porzellan zerschlagen", sagte Weimer. Albrecht besitze keinen Rückhalt bei der Geschäftsleitung, den Gesellschaftern und den Lieferanten, mit denen er als Einkäufer Kontakt gehabt habe, und auch nicht bei der Belegschaft.
Mit letzterer Behauptung erntete Weimer Heiterkeit im Gerichtssaal, den Mitglieder der IG Metall bis auf den letzten Platz füllten. Denn bei den Kollegen ist die Akzeptanz Albrechts offenbar nicht so schlecht: Bei den Betriebsratswahlen im März war der 47-Jährige wiedergewählt worden, obwohl er zu dieser Zeit Hausverbot bei Dietz hatte.
Gestern war rasch klar, dass die Fronten - wie schon bei einem Gütetermin im Januar - verhärtet sind. Doch schon vor der Urteilsverkündung hatte die Richterin klargestellt, dass als Rechtfertigung für eine fristlose Kündigung eine "sehr hohe Schwelle" angesetzt werden müsse. Diese ist nach Ansicht des Gerichts durch die Aussagen Albrechts nicht überschritten worden. Das Gericht erkenne keine Verletzung der sogenannten Geheimhaltungspflicht. Otto Weimer glaubt hingegen, Albrecht habe mit seiner "falschen Tatsachenbehauptung" den Schluss zugelassen, "der Betrieb ist am Ende". Das sei nicht vom Recht auf Meinungsäußerung gedeckt. Anders als beispielsweise die Behauptung, "der Geschäftsführer Strauß ist ein Idiot - mal abgesehen vom Beleidigungscharakter".
Albrecht ist mit dem Urteil "bestens zufrieden". Er will heute um 8 Uhr an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Allerdings ging sein Anwalt gestern davon aus, dass ihm der Zutritt verwehrt wird. Dagegen wiederum werde er mit der Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vorgehen, sagt er. Im Übrigen glaubt Wohlfahrt, dass Dietz Berufung gegen das Urteil einlegt. Die Dettinger Firma will sich erst heute dazu äußern.
Entlassung Der fristlosen Kündigung Günther Albrechts am 30. Oktober 2009 hatte der Betriebsrat zuvor zugestimmt.
Grund Der Dietz-Geschäftsführer Bernd Strauß begründete die Entlassung mit einer "geschäftsschädigenden Aussage" Albrechts am 25. Oktober im "Spiegel TV Magazin". Albrecht hatte zur Situation des Betriebs gesagt: "In den letzten Monaten war bis einen Tag vor Lohnauszahlung nicht klar, ob noch Löhne gezahlt werden können. Die Banken machen Schwierigkeiten."
Verfahren Bei einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht im Januar konnten sich Günther Albrecht und das Unternehmen nicht einigen, zu konträr waren die Positionen. Ob Bernd Strauß gegen das gestrige Urteil Berufung einlegt, ist noch offen. jüv
Siehe auch die IG Metall Pressemitteilung bei trueten.de
racethebreeze - 18. Jun, 07:52