Montag, 7. Januar 2008

Protest gegen Kündigung

Kritik an Entlassung des Thüringer Gewerkschaftssekretärs und profilierten Antifaschisten Angelo Lucifero. Ver.di weist Avancen der NPD zurück
Die Entlassung des Thüringer ver.di-Sekretärs Angelo Lucifero (jW berichtete) schlägt in den Reihen der Dienstleistungsgewerkschaft weiter hohe Wellen. Beim verantwortlichen Landesbezirksleiter Thomas Voß und auch bei Gewerkschaftschef Frank Bsirske gingen in den vergangenen Tagen eine Vielzahl von Protestschreiben ein. Voß verwahrte sich derweil vor Versuchen der NPD, den Vorfall für ihre Zwecke auszunutzen. Die formale Kündigung will ver.di nach eigenen Angaben womöglich nach einer am heutigen Montag stattfindenden Anhörung beim Integrationsamt aussprechen.

Von »vollkommen unverständlich« über »beschämend« bis hin zu »selbstmörderisch« reichen die Reaktionen, die Gewerkschafter in Mails und Briefen an die Verantwortlichen äußern. Seit etlichen Jahren war Lucifero als Hauptamtlicher erst für die hbv, dann für ver.di in Thüringen tätig gewesen und hatte seiner Organisation dabei insbesondere im Kampf gegen neofaschistische Umtriebe profiliert. Eben diese Aktivitäten sind nun offenbar der Grund für seine Entlassung. Lucifero habe »in unzulässiger Weise persönliche politische Arbeit auf Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft ver.di betrieben«, so Voß in einer Stellungnahme gegenüber jW. Gemeint ist damit wohl unter anderem der Betrieb der antifaschistischen Mailingliste antira@ver.di.de (jetzt: antira@lag-antifa.de), die Aktivisten als Informations- und Kommunikationsplattform dient. Diese Mailingliste habe einen Anteil daran gehabt, »die Gewerkschaften in Thüringen zu einem auch kurzfristig ansprechbaren Akteur im Kampf gegen Rechtsextremismus« zu machen, heißt es in einem von knapp 30 ver.di-Mitgliedern unterzeichneten Brief.

Gewerkschaftssprecherin Annett Weller betonte auf jW-Nachfrage: »Die Darstellung, Lucifero sei wegen seines Engagements gegen Rechtsradikalismus entlassen worden, ist falsch.« Der ver.di-Sekretär habe aber für »seine persönliche politische Arbeit« Mittel der Gewerkschaft in Anspruch genommen, ohne dies im Einzelfall mit der Landesbezirksleitung abzusprechen. Dabei gehe es zum Beispiel »um die ausufernde« Nutzung der Frankiermaschine und des Kopierers«. Die Gruppe »GewerkschafterInnen gegen Rechts« hält dem entgegen: »Angelo Lucifero hat Beschlüsse von ver.di umgesetzt. Es ist infam, sein langjähriges und immer wieder von ver.di bestätigtes Engagement nun als ›persönliche Arbeit‹ zu diskreditieren und sogar arbeitsrechtlich zu ahnden.« Auch Andreas Köhn, stellvertretender Landesbezirksleiter in Berlin und Brandenburg, erklärte gegenüber jW: »Antirassistische Arbeit ist Satzungsauftrag und kann keinesfalls die Begründung für die Entlassung eines Gewerkschaftsfunktionärs sein«. Für Wolfgang Zimmermann, Vorsitzender des ver.di-Bezirks Rhein-Wupper, haben Luciferos Aktivitäten »eindeutig eine gewerkschaftspolitische Grundlage«.

Ein weiterer Vorwurf an Lucifero lautet, er habe der Landesbezirksleitung eine Unterstützung des Rechtsradikalismus unterstellt. Damit habe er seine »langjährige engagierte Arbeit selbst diskreditiert und geschädigt«, so Voß. Lucifero selbst wollte sich zu den Anschuldigungen vor dem heutigen Anhörungstermin nicht äußern. Seine Unterstützer verweisen darauf, daß nicht nur die Maßnahme selbst, sondern auch deren Zeitpunkt höchst problematisch ist: Am 16. und 23. Januar muß sich Lucifero vor dem Erfurter Amtsgericht (Rudolfstr 46, Raum 18, jeweils ab acht Uhr) verantworten, weil er sich im März dieses Jahres mit einer Schreckschußpistole gegen Übergriffe von Neonazis verteidigt hatte. Winfried Wolf, Ex-Bundestagsabgeordneter für die PDS und jW-Autor, kritisiert in einem Schreiben an ver.di-Chef Bsirske, es sei für die Gewerkschaften »selbstmörderisch, daß ihr damit dem Druck der Nazis und der Rechten nachgebt, die just dies – eine Distanzierung und Trennung der Gewerkschaft ver.di von dem Kollegen Lucifero – gefordert haben.« Die NPD freute sich denn auch auf ihrer Homepage sogleich darüber, daß ver.di »endlich die Forderung aller nationalen Kräfte und insbesondere der NPD« umgesetzt und sich »von diesem gewerkschaftlich finanzierten Kleinkriminellen getrennt« habe. »Das nun einsetzende Tauwetter innerhalb der Gewerkschaft ver.di sollten möglichst viele Kameraden nutzen, um Mitglied zu werden«, ließ der Kreisvorsitzende der Neonazi-Partei, Kai-Uwe Trinkaus, wissen. Voß stellte daraufhin in einer Pressemitteilung klar: »Wir werden nicht zulassen, daß NPD-Mitglieder in unsere Gewerkschaft eintreten.« Für ver.di-Sprecherin Weller sind die Aussagen der Neofaschisten in erster Linie Folge der »einseitigen Berichterstattung in der jungen Welt«. Mit dem Vorgehen des ver.di-Landesbezirks gegen einen antifaschistisch engagierten Hauptamtlichen haben sie demnach wohl nichts zu tun.

Infos: http://www.labournet.de/diskussion/rechten/opfer/angelo.html

Quelle: http://www.jungewelt.de/2008/01-07/052.php
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