Für Versammlungsfreiheit! Die Verschärfung des Versammlungsgesetzes blockieren
Seit Monaten dauern die Auseinandersetzungen um die geplante Verschärfung des Baden-Württembergischen Versammlungsgesetzes an. Nach einigem hin und her rückt nun der Tag näher, an dem ein Gesetzestext-Vorschlag (vermutlich in einer leicht abgeänderten Version) in den Landtag eingebracht wird.
Für uns ist klar: Ob mit oder ohne Schönheitskorrekturen, wir bleiben bei dem Konsens der von mehr als 100 Organisationen unterstützten Kampagne und lehnen eine Verschärfung des Gesetzes grundsätzlich ab!
Nach einer Aktionswoche vom 09. bis zum 15. März, in der es noch einmal gilt eine breite Öffentlichkeit zu informieren, werden wir am Tag der Landtagsdebatte unseren Widerstand lautstark und vielfältig auf die Straße tragen. Geplant ist eine Demonstration sowie direkte Blockadeaktionen am Landtag. Beides soll mit einem Streik der Schülerinnen und Schüler verbunden werden, damit sich möglichst viele Menschen an den Aktivitäten für ihre demokratischen Rechte beteiligen können.
Dazu ist ein Aufruf zur Blockade des Landtages erschienen. Darin sind weitere Informationen zu den Planungen und zu möglichen Terminen zu finden:
Die Verschärfung des Versammlungsgesetzes blockieren
Schon seit längerem dauert die Auseinandersetzung um die von der Baden-Württembergischen Landesregierung geplanten Änderungen des Versammlungsgesetzes an. Nachdem 2006 die Bundesländer durch die Föderalismusreform eigene Versammlungsgesetzgebungen verabschieden können, wurden zuerst in Bayern starke Verschärfungen beschlossen. Im vergangenen Jahr legte die schwarz-gelbe Landesregierung Baden-Württembergs ebenfalls ein neues Gesetzespaket vor. Der Entwurf sieht massive Einschnitte, Verbote und Auflagen vor und wird von mehr als 100 Organisationen, darunter Gewerkschaften, Bürgerrechtsvereinigungen, linke Gruppen und Parteien als demokratiefeindlich und völlig inakzeptabel beurteilt.
Der geplante Eingriff lässt sich kurz als umfassendes Gesetzespaket zusammenfassen, dass Einschränkung und Behinderung von Versammlungen, Schikanen gegenüber TeilnehmerInnen und bürokratische Anstrengungen für VersammlungsleiterInnen mit sich bringt. Es soll dazu eine Vielzahl an staatlichen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Demonstrationen, Kundgebungen und sonstigen Veranstaltungen ermöglichen.
Nicht nur Versammlungen unter freiem Himmel, sondern auch Saalveranstaltungen sollen von nun an unter das polizeistaatlich aufgerüstete Versammlungsgesetzes fallen. Dass die Polizei damit ungefragt und ohne konkrete Begründung Zugang zu Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen erhält, ist nur eine von vielen Bestimmungen, die das bestehende Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zur Farce machen. Desweiteren sollen AnmelderInnen und OrdnerInnen zukünftig als HilfspolizistInnen gegen die eigene Versammlung eingesetzt werden können, gleichartige Kleidung als “einschüchternd” und damit als Grund für die Auflösung einer Versammlung eingestuft werden und die “Rechte Dritter”, für verschärfte Auflagenbescheide und Verbote von Versammlungen ausreichen.Gleichzeitig wird die Polizei in ihren längst schon angewandten, jedoch rechtlich nie abgesicherten Methoden unterstützt, indem ihr unter anderem die Befugnis zum ständigen Filmen und Abfotografieren der VersammlungsteilnehmerInnen zugesprochen werden soll.
Wir lehnen die Verschärfung ab!
Wenn jeder Versuch, durch Versammlungen an der öffentlichen Meinungsbildung teilzuhaben, mit einem bürokratischen Gefecht mit Behörden und der ständigen Sorge um mögliche strafrechtliche Konsequenzen und um das Wohl der TeilnehmerInnen verbunden ist, hat das mit Freiheit wenig zu tun.
Dass ein derartiges Vorhaben sich in erster Linie gegen all diejenigen richtet, die sich in verschiedensten Bereichen für gesellschaftlichen Fortschritt engagieren oder für ihre Rechte als Lohnabhängige einstehen, ist kein Geheimnis.
Inzwischen hat sich in Baden-Württemberg breiter gesellschaftlicher Widerstand gegen die Verschärfung des Versammlungsgesetzes entwickelt. In mehreren Städten beteiligten sich insgesamt mehr als 10 000 Menschen an Demonstrationen und auch an der Basis der FDP wuchs der Druck gegen den neuen Gesetzesentwurf. Dazu kam eine Verfassungsklage gegen das bayrische Versammlungsgesetz, dass mit dem Gesetzespaket für Baden-Württemberg in weiten Teilen identisch ist und selbst nach Auffassung der FDP als verfassungsfeindlich eingestuft werden muss. Die Landesregierung und deren für die Pläne verantwortlicher Innenminister Rech (CDU) kündigten daraufhin eine Verschiebung der Landtagsentscheidung sowie kleinere Änderungen am Gesetzespaket an.
Es ist nun davon auszugehen, dass nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtes zum Bayrischen Versammlungsgesetz ein leicht veränderter Entwurf für Baden-Württemberg, der sich am Gerichtsurteil orientiert, vorgelegt wird. Damit soll sich dann zumindest ein Teil der Organisationen, die sich gegen eine Verschärfung einsetzen, zufrieden geben.
Ob mit oder ohne Schönheitskorrekturen, wir lehnen dieses Gesetz als Mittel zur gewalttätigen Unterdrückung gesellschaftlicher Auseinandersetzung ab!
Block it!
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit darf nicht noch weiter in Frage gestellt werden. Die im Landtag anstehende Debatte, in der weitere Einschränkungen beschlossen werden sollen, ist für uns daher schlichtweg nicht hinnehmbar. Der Landtag hat keine Legitimation, sich über Grundrechte hinwegzusetzen und dies obendrein auch noch als repräsentativen Akt darzustellen. Kein Landtagsabgeordneter und auch niemand sonst hat das Recht, Millionen von Menschen in ihren elementaren Rechten weiter einzuschränken und behördlicher Willkür zu unterstellen.
Wir sehen keine andere Abhilfe, als dem Tun der Gesetzgeber aktiven und konsequenten Widerstand entgegenzubringen. Wir werden daher die Landtagssitzung, die das geplante Versammlungsgesetz zum Thema haben wird, mit verschiedenen Mitteln blockieren und stören. Wir werden laut und wir werden vor Ort sein, wenn sich die Abgeordneten das Recht nehmen, über die zukünftige Form unserer Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zu entscheiden. Hierbei setzen wir unter anderem auf das schon oftmals erprobte Mittel des zivilen Ungehorsams, und setzen damit ein klares Zeichen gegen staatlichen Kontroll- und Überwachungswahn, gegen den Abbau demokratischer Grundrechte und für das Recht auf Protest und Widerstand.
Wir rufen daher alle Menschen dazu auf sich an der Demonstration vor der Landtagssitzung und den Blockadeaktionen zu beteiligen.
Für Versammlungsfreiheit!
Die Verschärfung des Versammlungsgesetzes blockieren!
Die Pläne der Landesregierung
Der bisher vorgelegte Entwurf lässt sich kurz mit den folgenden Stichpunkten umreißen:
– Weitgehende behördliche Befugnisse, Demonstrationen und Kundgebungen zu verbieten oder stark einzuschränken. Grund können u.a. die „Interessen Dritter“ sein, also mögliche Folgen für den Verkehr, für Geschäfte im Umkreis der geplanten Demonstration u.ä.
– Auflagen für Demonstrationen und Kundgebungen, die einheitliches Auftreten, etwa in Form von Streikwesten, als militant auffassen und somit zu deren sofortiger polizeilicher Auflösung führen können.
– Das Risiko eines Strafverfahrens für AnmelderInnen von Versammlungen, die für tatsächliche oder vermeintliche Straftaten Einzelner aus der Versammlung verantwortlich gemacht und verurteilt werden können.
– Weitreichende Befugnisse der Polizei, sämtliche TeilnehmerInnen an jeglichen Versammlungen zu filmen, zu kontrollieren und zu registrieren.
– Ein Verbot, genehmigte Aufmärsche von Nazis, aber auch Gipfeltreffen wie das der NATO im April durch Protestaktionen zu beeinträchtigen. Selbst der Aufruf dazu soll unter Strafe gestellt und mit einer einjährigen Haftstrafe belegt werden können. Auf „Gewalttaten“ im gleichen Zusammenhang sollen bis zu 2 Jahre Haft verhängt werden können.
– Ausdehnung des Versammlungsgesetzes auf Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Für Veranstaltungen soll künftig ein Verantwortlicher benannt werden müssen, der Polizei ausreichend Platz zur Überwachung eingeräumt werden, verschiedene Auflagen und Verbote zu den Inhalten berücksichtigt werden etc.
– Dazu enthält der 70seitige Gesetzestext eine Vielzahl weiterer polizeistaatlicher Regelungen, etwa im Bezug auf die Anmeldefristen, die mögliche Ablehnung von AnmelderInnen und OrdnerInnen und die Auflagen die von Behörden und Polizei verhängt bzw. durchgesetzt werden können.
Der aktuelle Stand
Beim Stand der Veröffentlichung dieses Aufrufes (März 2009) hält sich die Landesregierung über ihr weiteres Vorgehen noch bedeckt. Zugute kommt ihr dabei die praktisch nicht stattfindende Berichterstattung in den meisten Medien. Dies trotz den weitreichenden Folgen die eine Gesetzesänderung, die sich am bisherigen Entwurf orientiert, für praktisch jedes gewerkschaftliche, linke und antifaschistische Engagement nach sich ziehen wird.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach der im März erwarteten Stellungnahme des Verfassungsgerichtes zum Bayrischen Versammlungsgesetz die Sache wieder in Bewegung kommt. Sollten sich CDU und FDP auf einen neuen Entwurf einigen – und davon ist auszugehen – wird ihr weiteres Vorgehen wohl auch vom Versuch geprägt sein, das neue Gesetz ohne großes Aufsehen durchzusetzen und die Proteste dagegen möglichst gering zu halten. Erste Versuche die Gewerkschaften aus der Protestbewegung herauszuziehen, fanden bereits statt. Innenminister Rech behauptete in einem im Dezember 2008 veröffentlichten Interview, die Gewerkschaften hätten von den Gesetzesverschärfungen nichts zu befürchten – ein allzu offensichtlicher Versuch, die Gewerkschaften mit kleinen Zugeständnissen aus der Protestbewegung herauszuhalten. Alle Teile der Kampagne gegen die Verschärfungen haben sich jedoch darauf geeinigt, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen.
Die Aktionen und Demonstrationen im Dezember und Januar u.a. in Mannheim, Stuttgart, Freiburg und Tübingen haben schon mehr als 10 000 Menschen gegen die Verschärfung des Versammlungsgesetzes auf die Straße gebracht. Bündnistreffen finden weiterhin regelmäßig statt, eine Unterschriftensammlung hat begonnen und mehr als 100 Organisationen haben sich darauf verständigt, den Demokratieabbau in Form der weiteren Einschnitte des Versammlungsrechtes nicht einfach hinzunehmen.
Neben einer Aktionswoche sind eine Demonstration und die Blockade des Landtages geplant. Die Proteste sind auch deswegen von Bedeutung, weil weitere CDU regierte Bundesländer ähnliche Gesetzesverschärfungen planen. Deren Umsetzung hängt nicht zuletzt vom Verlauf der Kampagne in Baden-Württemberg ab – ein erfolgreicher Protest gegen die Verschärfungen ist daher von bundesweiter Bedeutung!
Block it! Schulstreik und Blockade des Landtages am Tag X!
Wir alle, egal ob Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Arbeiterinnen und Arbeiter, Auszubildende oder Erwerbslose, haben gute Gründe, Veranstaltungen und Demonstrationen, Streiks und Protestaktionen zu organisieren und zu besuchen. Wir haben es nicht hinzunehmen dass uns dies verboten wird, dass wir deswegen überwacht, registriert und der Gefahr von Strafverfahren und Verurteilungen ausgesetzt werden.
Wir sehen es als unser Recht und unsere Pflicht an, den Schritt hin zu einem Polizeistaat, den weiteren Abbau demokratischer Rechte, den Angriff des Staates auf den Rest unserer Freiheiten zu verhindern!
Die Sitzungen des Landtages finden jeden Monat einmal an zwei aufeinander folgenden Tagen statt. Noch in diesem Jahr wird genau dort mit der Verabschiedung des Gesetzespaketes versucht die Weichen zur Einschränkung und Verhinderung unserer zukünftigen Protestaktionen zu stellen. Genau das soll, darf und wird aber nicht ohne unseren handfesten Protest erfolgen. Noch vor dem Beginn der Sitzung um 9.30 Uhr werden wir an mindestens einem der Tage versuchen den Zugang zum Landtag zu blockieren. An welchem Termin dies genau geschehen wird, hängt davon ab, wann die Gesetzesverschärfung auf der Tagesordnung steht. In Frage kommen nach jetzigem Stand die folgenden Termine: Mittwoch, 18.03. / Donnerstag, 19.03. /.... Der genaue Termin wird als Aufkleber auf den Aufrufen, auf Flyern und der Homepage zu finden sein – haltet euch bereit, achtet auf Ankündigungen und helft bei der Mobilisierung!
Am Morgen des Tag X wird um 8 Uhr eine Demonstration stattfinden. Sie wird zunächst der Anlaufpunkt für die danach stattfindenden Blockaden sein. Damit sich alle Schülerinnen und Schüler an den Protesten beteiligen können, rufen das SchülerInnen Aktionskomitee und alle Unterstützerinnen und Unterstützer des Aufrufes zu einem Schulstreik auf!
Wir sind im Recht!
Mit dem Aufruf einer Blockade des Landtages zum besagten Sitzungstermin beziehen wir uns mitunter auf das unter Artikel 20 in Absatz 4 formulierte Widerstandsrecht im deutschen Grundgesetz:
„(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
„(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Mit dem geplanten Versammlungsgesetz entbindet sich die Gesetzgebung eindeutig eines vorangehenden Grundrechtes, welches unter Artikel 8 im ersten Absatz formuliert ist:
„Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Es sind nicht unsere Worte, sondern die aus dem Grundgesetz – natürlich treten wir dafür ein, dass nicht nur „alle Deutschen“ dieses Recht haben, sondern selbstverständlich auch MigrantInnen! Der Gesetzestext zeigt aber, dass es nicht nur unser Anliegen ist, sondern sogar als unsere Bürgerpflicht gesehen werden kann, das demokratiefeindliche Vorhaben der Landesregierung zu verhindern.Wer den Aufruf unterstützen will, schickt bis Dienstag, den 03. März eine E-Mail an blockieren[@]gmx.de mit Namen, Kontaktmöglichkeit und Anschrift. Wir werden euch dann regelmäßige Informationen zukommen lassen und den gedruckten Aufruf zuschicken. Die Beteiligung für Druckkosten etc. beträgt für jede Organisation die auf der Liste der Unterstützer aufgeführt wird mindestens 10,- Euro.
Wir bitten Euch auch um eine Beteiligung an den Planungen für die Blockade-Aktionen und laden euch hiermit zum nächsten Koordinationstreffen am Dienstag, den 03. März um 19 Uhr im Subversiv, Burgstallstr. 54, Stuttgart-Heslach, ein.
