»Uns geht es um Aufklärung«

Ein aufschlussreiches Interview in der "Jungen Welt":

»Uns geht es um Aufklärung«
Die Gruppe Arbeiterfotografie deckt auf, wie Feindbilder geschaffen werden, um Kriege zu rechtfertigen. Dagegen laufen Antideutsche Sturm. Ein Gespräch mit Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Interview: Interview: Cathrin Schütz

Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann sind Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands der Arbeiterfotografie (www.arbeiterfotografie.com)

Der Bundesverband Arbeiterfotografie schafft getreu den Grundsätzen seines Gründers Willi Münzenberg Gegenöffentlichkeit zur bürgerlichen Bild- und Pressewelt. Er kämpft gegen die mediale interessengelenkte Verdummungsmaschinerie, wie es auf seiner Webseite heißt. In der Kleinen Hochstraße in Frankfurt am Main gab es dieser Tage gleichwohl tumultartige Szenen: Vor dem traditionsreichen »Club Voltaire« tobte lautstarker Protest; ein Versuch, das Stürmen einer gemeinsamen Veranstaltung von Arbeiterfotografie und Club Voltaire zum Thema »Medien zwischen Realität und Scheinwelt« konnte allerdings abgewehrt werden. Wer hatte etwas gegen Ihre Veranstaltung und warum?

Anneliese Fikentscher: Seit Monaten schien festzustehen: Es wird im Club Voltaire eine gemeinsame Veranstaltung stattfinden mit dem Bundesverband Arbeiterfotografie, der HipHop-Band »Die Bandbreite«, die aus dem Mainstream ausschert, indem sie Gedanken anreißt, die dem Kern des machtpolitischen Geschehens – bedrohlich – nahekommt, und dem Menschenrechtler Elias Davidsson. Der befaßt sich wie die Band mit der Politik hinter der Politik, besonders mit dem 11.September und dem Terrorismus insgesamt. Angekündigt war »Die Bandbreite« mit Texten wie: »Habt ihr dat vielleicht selbst gemacht? Den Terror selber in die Welt gebracht?« (aus: »Selbst gemacht«) – »Wat ist eine Attacke unter falscher Flagge? Und warum singt die Bandbreite über so ne Kacke? Ich werd’s dir sagen, False Flag ist ein Instrument, dat jeder Staatschef auf dieser Erde gerne nutzt und kennt« (aus: »Unter falscher Flagge«), und Elias Davidsson, für den der »Krieg gegen den Terror« nicht nur ein täuschender Begriff ist, sondern auch selbst eine Form von Terror. Indem man Terrorismus als eine globale Verschwörung bezeichnet, die uns immer und überall bedroht, werden ganze Völker eingeschüchtert und terrorisiert.

Dagegen lief der Vorsitzende des Club Voltaire, Andreas Waibel, im Zusammenspiel mit diversen antideutschen Gruppen Sturm. Er veröffentlichte einen Aufruf voller bösartiger Unterstellungen, in dem gedroht wurde, die Veranstaltung zu sprengen, sollte es nicht gelingen, sie im Vorfeld abzusetzen. Doch der Club machte in einer Sondersitzung deutlich, daß er nicht bereit ist, sich dem Druck der Gegner von Aufklärung und freier Meinungsäußerung zu beugen. Der Vorsitzende war isoliert. Er war als Gegner der Ideen Voltaires enttarnt. Er fand keinen Hebel mehr, die Veranstaltung im Vorfeld zu verhindern, und trat zurück. Es folgte sein breit gestreuter Aufruf zur Blockade.

Was genau wird Arbeiterfotografie, »Bandbreite« und Elias Davidsson vorgeworfen?

Andreas Neumann: Das war ein breites Spektrum von Vorwürfen, die immer wieder wechselten, wenn sich herausstellte, daß sie nicht haltbar waren. Das waren Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus, Sexismus. Der 1941 in Palästina geborene Elias Davidsson, dessen Eltern im Rahmen der zwischen Nazis und Zionisten geschlossenen Verträge Deutschland verlassen hatten, wurde als Israel-Hasser diffamiert.

Arbeiterfotografie wurde vorgeworfen, sie würde Faschisten nahestehen, sei Freund des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und des österreichischen Politikers Jörg Haider und würde Verschwörungstheorien verbreiten. Der Hamburger Journalist Thomas Immanuel Steinberg schreibt bezogen auf den Vorwurf, die Arbeiterfotografie sei ein Freund Jörg Haiders: »Arbeiterfotografie hat den Tod von Haider für merkwürdig gehalten, und das war er auch. Also hat sie recherchiert und weitere Merkwürdigkeiten festgestellt. Arbeiterfotografie hat nie mit dem Halbfaschisten Haider sympathisiert, seine Sprüche gelobt oder dergleichen. Sie hat aber nach einem Interessengegensatz zwischen dem Halbfaschisten Haider und den israelischen /US-amerikanischen Halbfaschisten gesucht, weil Haiders Tod Merkwürdigkeiten aufwies; und ist fündig geworden. Das hat nichts mit Sympathie für Haider zu tun, sondern ist journalistische Recherche.«

Anneliese Fikentscher: Es geht uns um die Darstellung von Zusammenhängen, um das Stellen von Fragen, die in der Regel nicht gestellt werden. Es ist unsere Intention aufzudecken, wie Feindbilder geschaffen werden, um Kriege zu rechtfertigen. Es geht darum, deutlich zu machen, daß jeder, der sich ähnlich wie 1933 nicht dagegen stellt, sich mitschuldig macht am Tod der Menschen, den der Krieg verursacht. Das gilt auch für diejenigen, die – wie Elias Davidsson betont – die unbewiesene, »offizielle« Darstellung der Anschläge vom 11. September 2001 verbreiten. Denn »9/11« ist der Beginn einer neuen Epoche globaler Kriege und des Abbaus demokratischer Rechte. Es sollte um die Rolle der Medien bei der Indoktrination der Menschen in diesen und weiteren Fällen gehen. junge Welt-Chefredakteur Arnold Schölzel schrieb diesbezüglich einmal von der »Abschottung von der Realität« als oberstem Gebot: »Die Medien haben vor allem zwei Aufgaben: Desorganisation und Desinformation und die Mobilisierung des jeweils fälligen Kriegs nach innen und außen.« (siehe jW vom 19.3.2005) Das zu vermitteln, war ein wesentliches Ziel der Veranstaltung im Club Voltaire.

Waibel schrieb in einem Internet-Blog, die Protestaktion am vergangenen Freitag sei friedlich verlaufen. Die Demonstranten hätten bedauert, daß es notwendig wurde, gegen diese Veranstaltung öffentlich zu protestieren, zugleich aber die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, damit einen Diskussionsprozeß angestoßen zu haben. Wie haben Sie den Verlauf des Abends erlebt?

Andreas Neumann: Von einem friedlichen Verlauf kann keine Rede sein. Die Frau an der Kasse wurde körperlich angegriffen. Ein schwerer Tisch wurde umgerissen und die Kasse geraubt. Während die Band spielte, wurde es besonders bedrohlich, so daß die Polizei gerufen werden mußte. Die Veranstaltungsgegner trommelten gegen Fenster und Tür und drängten hinein, konnten aber zurückgehalten werden. Es kam zu der Situation, in der sich jemand den Eindringlingen entgegenstellte und gewürgt wurde. Das entsprach in Ansätzen dem, was aufgrund von Waibels Aufruf, zu »tun, was nötig ist«, zu befürchten war. Dennoch: Der Abend konnte weitgehend ablaufen wie geplant. Das sehen wir als Erfolg. Dazu beigetragen haben Heiner Halberstadt, der vor 46 Jahren zu den Gründern des Clubs zählte (»Der Club ist und bleibt ein offenes und freies Forum für linke Gesellschaftskritik und Emanzipation«), Evelyn Hecht-Galinski, die ein Grußwort schickte (»Es ist mir eine Ehre, für die Arbeiterfotografie Stellung zu beziehen«) und der Herausgeber der Zeitschrift Semit, Abraham Melzer, der gekommen war und sich mit deutlichen Worten gegen die von Waibel organisierte Provokation wandte. Es war und ist wichtig, sich nicht einschüchtern zu lassen. Um einen konstruktiven Dialog ging es den Veranstaltungsgegnern in keiner Weise.

Ging es hier tatsächlich um »Die Bandbreite« oder nicht vielmehr darum, Arbeiterfotografie , die es wagt, den Verleumdungen des iranischen Präsidenten entgegenzutreten, in die Schranken zu weisen?

Anneliese Fikentscher: Es geht um die Verhinderung und Diskreditierung von Aufklärung. Das betrifft nicht nur »Die Bandbreite«, sondern alle Beteiligten. Sicherlich geht es auch darum, das Aufdecken der Feindbild-Propaganda im Fall Iran verächtlich zu machen. Dem iranischen Präsidenten werden wieder und wieder durch Falschübersetzung entstellte Äußerungen untergeschoben. Mainstream-Medien wie dpa und ZDF haben dies im ganz entscheidenden Fall der Zitatverfälschung »Israel von der Landkarte tilgen« öffentlich eingestanden. Iran wird unterstellt, Atomwaffen zu entwickeln, obwohl das nicht verifizierbar ist. Der iranischen Führung wird unterstellt, die Präsidentschaftswahlen vom Juni 2009 gefälscht zu haben, obwohl es auch dafür keine Beweise gibt. Solche Erkenntnisse sollen verunglimpft werden. Darin sehen Waibel und Leute in seinem Umfeld offensichtlich ihre Aufgabe. Befürchtet werden die Enttarnung von »Berufslügnern« und das Aufgreifen von Tabuthemen wie 11.September, NATO-Geheimarmee Gladio, Palästina/Israel, die Rolle von Geheimdiensten bei der Desorientierung der Öffentlichkeit und Durchführung verdeckter Operationen ...

Waibel spricht von einem »linken Familienkrach«. Handelt es sich bei der Auseinandersetzung tatsächlich um einen Richtungsstreit innerhalb der Linken?

Andreas Neumann: Das hat mit einem »linken Familienkrach« nichts zu tun. Hier sind Linke und Anti-Linke – wie der Journalist Thomas Immanuel Steinberg es formuliert – aufeinandergetroffen. Auf der einen Seite stehen diejenigen, denen es um Aufklärung geht, auf der anderen Seite diejenigen, die diese verhindern wollen – sei es, daß sie im Auftrag agieren oder sie sich instrumentalisieren lassen und so zu Erfüllungsgehilfen imperialer Interessen und den damit verbundenen Verbrechen werden.

Sehen Sie in den Antideutschen eine bedeutungslose Randerscheinung oder eine ernsthafte Bedrohung?

Anneliese Fikentscher: Gewiß sind die Antideutschen eine ernste Gefahr. Sie sind mit den Worten von Freidenker-Präsident Klaus Hartmann »ein Instrument reaktionärer Gegenaufklärung. Sie sind Feinde der Aufklärung und des Humanismus. Sie sind keine verirrten Linken, sondern Neue Rechte, durch und durch rassistisch, eine profaschistische Strömung«. Interview: Cathrin Schütz


Macht euch bereit für die Notfallproteste! Macht euch bereit für die Notfallproteste!
reflexion (Gast) - 23. Okt, 12:08

Kritik zur "Bandbreite"...


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